Schematischer Versuchsaufbau: links die Photonenquelle, die das polarisationsverschränkte Signal-Idler Photonenpaar in die Messstecke schickt. Das Signal-Photon trifft dabei auf die Probe (vorn) und verändert dabei seine Polarisationszustand. Die geänderte Photoneneigenschaft überträgt sich mittels Verschränkung auf das Idlerphoton, dessen Eigenschaft nun durch Polarisationsoptik (quarter-wave plate QWP, linear polarizer LP) bestimmt werden kann. Bevor die Messung stattfindet, wird ein Long Pass Filter (LPF) zum Abhalten von Störsignalen eingesetzt.
Wasserzeichen —

Quantensensorik - Spitzenforschung unter den Top-Innovationen 2024

Ein Ansatz zur zerstörungsfreien Probenklassifizierung mittels verschränkter Photonen wird als Pionierarbeit in der renommierten APL Photonics Collection anerkannt
Schematischer Versuchsaufbau: links die Photonenquelle, die das polarisationsverschränkte Signal-Idler Photonenpaar in die Messstecke schickt. Das Signal-Photon trifft dabei auf die Probe (vorn) und verändert dabei seine Polarisationszustand. Die geänderte Photoneneigenschaft überträgt sich mittels Verschränkung auf das Idlerphoton, dessen Eigenschaft nun durch Polarisationsoptik (quarter-wave plate QWP, linear polarizer LP) bestimmt werden kann. Bevor die Messung stattfindet, wird ein Long Pass Filter (LPF) zum Abhalten von Störsignalen eingesetzt.
Illustration: Johannes Kretzschmar
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  • Forschung

Meldung vom: | Verfasser/in: Ira Winkler, Vira Besaga

Experimenteller Aufbau

Foto: Vira Besaga

Eine richtungsweisende Studie des Instituts für Angewandte Physik der Universität Jena mit dem Titel „“Nonlocal quantum differentiation between polarization objects using entanglement”Externer Link“ (Nichtlokale Quantendifferenzierung zwischen Polarisationsobjekten durch Verschränkung) von Dr. Vira Besaga und anderen Wissenschaftlern ist für die 2024 Future Luminary CollectionExterner Link von APL Photonics ausgewählt worden. Diese jährliche Sammlung enthält die 12 innovativsten der in 2024 insgesamt 188 im Journal veröffentlichten Arbeiten. Damit möchte sie die Forschung von Nachwuchsforschern hervorheben, die potenziell die Photonik und Quantentechnologien neu zu gestalten. 

Die Arbeit des Instituts für Angewandte Physik, die in der Sammlung vorgestellt wird, ist besonders bemerkenswert für die experimentelle Demonstration eines quantenbasierten Ansatzes zur Fernidentifizierung optischer Proben ohne physischen Kontakt - ein entscheidender Fortschritt für die biomedizinische Diagnostik, Fernerkundung und sichere Kommunikation. Dr. Besaga konzipierte und führte experimentelle Studien durch, um das theoretische Modell, das zuvor in der Gruppe von Dr. Frank Setzpfandt en in Zusammenarbeit mit Prof. Andrey Sukhorukov von der Australian National University (ANU) entwickelt worden war, in die Praxis umzusetzen. Die Durchführung der Experimente wurde durch die in der Gruppe von Prof. Fabian Steinlechner en entwickelte Quelle für polarisationsverschränkte Photonen und die von der Gruppe von Dr. Thomas Siefke en entwickelten und hergestellten maßgeschneiderten Polarisationsoptiken zur Manipulation der photonischen Zustände ermöglicht.

Long Pass Filter (LPF), Quarter-Wave Plate (QWP) and Linear Polarizer (LP), made by the Microstructure Technology Group at the IAP.

Foto: Vira Besaga

Quantensprung: Auf dem Weg zur Fernklassifizierung mit verschränkten Photonen

Kernprinzip

Bei dem vorgeschlagenen Ansatz werden polarisationsverschränkte Photonenpaare verwendet, deren Quantenzustände untrennbar miteinander verbunden sind. Jedes Photon des Paares übernimmt eine andere Rolle: Das so genannte Signalphoton durchläuft die Probe und nimmt dabei deren charakteristische Polarisationssignatur an, während das Idler-Photon von der Probe isoliert bleibt, aber aufgrund der Verschränkung alle relevanten quantenkorrelierten Informationen über seinen Partner behält. Dank dieses Quanteneffekts ist es möglich, allein durch die Analyse des Zustands des Idler-Photons auf Informationen über die Probe zu schließen - auch wenn es nie direkt mit der Probe wechselwirkt. Die Autoren und Autorinnen der Studie haben ein solches Messszenario weiterentwickelt, indem sie eine speziell ausgewählte Polarisationstransformation auf das Signalphoton anwenden. Dadurch wird der Zustand dieses Photons so moduliert, dass alle Proben aus dem Satz unterschiedliche Antworten bei der Koinzidenzzählung zwischen den Kanälen erhalten. Dies ebnet einerseits den Weg für eine zerstörungsfreie polarisationsbasierte Fernklassifizierung und minimiert andererseits die Anzahl der zur Identifizierung der Probe erforderlichen Messungen. Letzteres stellt einen bemerkenswerten Fortschritt in der quantenbasierten Messtechnik dar und verspricht schnellere Erfassungsszenarien und Entscheidungsfindungen.

Experimenteller Erfolg

In den Experimenten hat das Forscherteam gezeigt, dass es möglich ist, mit drei Messungen der Quantenkorrelationen zwischen dem Signal- und dem Leerlaufphoton (Koinzidenzzählungen) mehr als hundert Polarisationstestproben zu unterscheiden. Darüber hinaus konnten Dr. Besaga und ihre Kolleginnen und Kollegen mehr als 80 Proben mit nur zwei Messungen erfolgreich unterscheiden, was die für eine gründliche Analyse erforderliche Mindestanzahl um die Hälfte reduziert. Entscheidend ist, dass die Proben mit nur geringfügigen Unterschieden in den Polarisationseigenschaften charakterisiert wurden, während die Gesamtheit der Proben um ein Vielfaches die Anzahl der Klassen übersteigt, die bei üblichen Aufgaben in der biomedizinischen Diagnostik oder der industriellen Kontrolle benötigt werden. Diese bemerkenswerte Lösung beschleunigt die quantenbasierten Messungen erheblich.

Warum diese Arbeit herausragend ist

Was diese Arbeit wirklich auszeichnet, sind mehrere wichtige Innovationen. Die Methode arbeitet zerstörungsfrei, so dass empfindliche biologische oder chemische Proben während der Analyse erhalten bleiben können. Sie ermöglicht auch den Einsatz aus der Ferne, so dass Proben in schwer zugänglichen Umgebungen wie versiegelten Behältern oder gefährlichen Standorten untersucht werden können. 
Darüber hinaus verkürzt das Verfahren die Gesamtdauer der Messung erheblich, was für die Annäherung an Echtzeitanwendungen von entscheidender Bedeutung ist, insbesondere bei geringen Photonenerzeugungsraten. Es ermöglicht eine schnellere Entscheidungsfindung, wenn keine vollständige Probencharakterisierung erforderlich ist, und ebnet den Weg für eine quantengestützte polarisationsbasierte Klassifizierung.

Der Erfolg dieser Forschung beruht auf der engen interdisziplinären Zusammenarbeit. Die Nano & Quantum Group konzipierte und realisierte die Studie. Die Experimental Quantum Information Group entwickelte die polarisationsverschränkte Photonenquelle, während die Microstructure Technology Group die angepasste Polarisationsoptik lieferte. Darüber hinaus profitierte das Projekt von einer internationalen Partnerschaft mit Quantenoptikexperten der Australian National University (ANU), die wesentliche theoretische Grundlagen beisteuerten.
Dieser Durchbruch ebnet den Weg für praktische Anwendungen in verschiedenen Bereichen. In der medizinischen Diagnostik könnte die Methode ein schnelles, nicht-invasives Gewebescreening zur Früherkennung von Krankheiten ermöglichen. In der Fernerkundung bietet die Methode neue Möglichkeiten für die Überwachung von Umweltveränderungen oder die Kontrolle von Industrieprozessen aus der Distanz. Darüber hinaus ist sie vielversprechend für die Weiterentwicklung von Quantennetzwerken, indem sie sichere Kommunikationsprotokolle verbessert und eine präzise Kontrolle über die Kommunikationsverbindungen ermöglicht.

Obwohl die Erzeugung verschränkter Photonen nach wie vor aufwändig ist und die Sensorszenarien mit der Messung der Korrelation zwischen den Photonen mehrere Sekunden pro Messung erfordern, minimiert dieser optimierte Ansatz die erforderliche Datenmenge, so dass die Technik für einen breiteren Einsatz skaliert werden kann.

Ein "zukünftiger Leuchtturm" in der Photonics

Die Auswahl für die Future Luminary Collection unterstreicht das Potenzial der Arbeit, Technologien der nächsten Generation voranzutreiben. "Diese Anerkennung spiegelt die Kraft der Quanteninnovation und der Teamarbeit wider", sagt die Finalistin für den Future Luminary Award, Dr. Vira Besaga. "Wir weiten unsere Arbeit jetzt auf die Multiparameter-Analyse aus und sondieren Kooperationen mit der Industrie."

DOI: 10.1063/5.0190665Externer Link
Finanzierung: Gefördert durch das Deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung (Projekt "QuantIm4Life", Förderungsnummer FKZ 13N14877).
Gefördert durch das Pro-Chance-Karriere-Programm (Grant No. AZ 2.11.3-A1/2022-01) der Friedrich-Schiller-Universität Jena, das EMPIR-Programm, kofinanziert durch die beteiligten Staaten und durch das Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union, das UA-DAAD-Austauschprogramm und den Australian Research Council (Grant No. DP190101559, CE200100010), der Deutschen Forschungsgemeinschaft Projekt-Nr. 512648189, dem Open-Access-Publikationsfonds der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena sowie durch die Fraunhofer-Max-Planck-Kooperation Quantum Sensing Technologies (2022-2025).