Blick auf Philosophenweg/Max-Wien-Platz, mit Hufeldhaus, Studentenhaus und Hauptgebäude der PAF

Physik, Kunst und Architektur

Von Industriebauten zum Bauhaus
Blick auf Philosophenweg/Max-Wien-Platz, mit Hufeldhaus, Studentenhaus und Hauptgebäude der PAF
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Auf diesem Spaziergang wollen wir die Verbindungen zwischen Kunst, Architektur und der Jenaer Physikgeschichte etwas genauer ins Auge fassen. Unser Startpunkt ist das Ernst-Abbe-Denkmal am Carl-Zeiss-Platz. Der achteckige Bau wurde vom Bauhaus-Vorreiter Henry van de Velde entworfen. Die Herme Abbes im Inneren stammt von Max Klinger und die Plastiken von Constantin Meunier.

Mit der theoretischen Fundierung des optischen Gerätebaus, die von Abbe erarbeitet und in den Werkstätten von Carl Zeiss umgesetzt wurde, wurde der Grundstein des Weltunternehmen Zeiss gelegt. Wie kein anderes Unternehmen prägt es die Stadt noch heute. Und man wird sich diesem gewahr, wenn man sich nur kurz umsieht. Das Volkshaus (Carl-Zeiss-Platz 15) wurde mit Mitteln aus der Carl-Zeiss-Stiftung finanziert. Fast anliegend sieht man das Gebäude der ehemaligen Optikerschule (Carl-Zeiss-Platz 12), wo man ab 2024 das Deutsche Optische Museum finden wird.

Das ehemalige Zeiss-Hauptwerk wurde in den 1990er Jahren zu einem modernen Stadtzentrum mit Universitätscampus und Einkaufsmeile umgebaut. Und durch diese Einkaufsmeile, die Goethegalerie, führt unser Weg. Der westliche Eingang befindet sich zwischen Bau 36 (Carl-Zeiss-Straße 1), auch Ernst-Abbe-Hochhaus genannt und heutiger Sitz der Jenoptik, und der erhaltenen Ecke von Bau 12, heute in ein Hotel und die Shoppingmeile integriert. Architekturhistorisch ist das Zeiss-Hauptwerk auch wegen eines Bauverfahrens interessant. Für die Kuppel des dort entwickelten Projektionsplanetariums wurde die sogenannte Zeiss-DYWIDAG-Schalenbauweise erfunden (die Zusammenarbeit von DYWIDAG und Zeiss geht bis zum Anfang des 20. Jahrhundert zurück): hierbei wird auf eine tragfähige Gitterstruktur Beton aufgespritzt und damit sehr dünne Betonschalen erzeugt. Die Kuppel des ersten Projektionsplanetarium befand sich auf dem Dach des Bau 11, der heute leider nicht mehr vorhanden ist und sich in der Goethegalerie befinden würde.

Am anderen Ende der Goethegalerie angekommen, kann man seinen Blick erst einmal nach rechts richten. Der vom Bauhaus-Schüler Emil Fahrenkamp entworfene Bau 29 ist heute in die Goethegalerie integriert. Besonders auffällig sind die abgerundeten Ecken des Gebäudes. Von hier aus gehen wir Richtung Norden den Leutragraben entlang. Links liegt zunächst immer noch das Zeiss Hauptwerk und eines der ersten Hochhäuser Deutschlands, der Bau 15. Rechts sieht man den Jentower, auch etwas schnippisch Keksrolle genannt. Eigentlich für das Unternehmen Zeiss entworfen, dann aber zunächst von der Universität genutzt, sollte seine Architektur an ein Fernrohr erinnern. Das "Forschungshochhaus" Bau 59 auf der linken Seite schließt das ehemalige Zeisswerk nach Nordosten hin ab.

Wir gehen weiter Richtung Norden, queren den Fürstengraben und begeben uns auf den Philosophenweg. Linker Hand findet man den Johannisfriedhof und die Gräber von Carl Zeiss, Hans Berger und Karl Snell. In der zugehörigen Friedenskirche aus dem 17. Jahrhundert führte Hermann Schaeffer den Foucaultschen Pendelversuch durch. Weiter den Philosophenweg entlang befindet sich das Studentenhaus (Philosophenweg 20), heute als Mensa am Philosophenweg bekannt. Entworfen wurde es von Ernst Neufert und Otto Bartning vom "aktiven Bauatelier" der Bauhochschule Weimar. Der Stahlbetonskelettbau ist ein prägnantes Beispiel der Bauhausarchitektur in Jena. Rudolf Straubel kam beim Bau mit dem "aktiven Bauatelier" in Kontakt, was auch zur Zusammenarbeit beim Abbeanum führen sollte, wohin wir uns jetzt auf den Weg machen.

Dabei stoßen wir auf das heutige Hauptgebäude der Physikalisch-Astronomischen Fakultät am Max-Wien-Platz 1. Von Mitte der 1950er bis Anfang der 1960er in zwei Bauabschnitten errichtet, besticht das Gebäude mit einem aufwendig gestalteten Hörsaal. Er ist wie ein Amphitheater aufgebaut, holzvertäfelt und war Schauplatz der ersten öffentlichen Laservorführung in Jena.

Wir biegen noch vor dem Gebäude links in die Lessingstraße und verweilen zuerst an der Ecke zum Fröbelstieg. Dort hat man eine gute Sicht auf das mit Zeiss-Mitteln finanzierte und von Ernst Neufert entworfene Abbeanum. Der Stahlbetonskelettbau wurde 1930 eingeweiht. Eine Besonderheit des Baus ging mit den Bombenangriffen im zweiten Weltkrieg verloren, obwohl das Gebäude sonst originalgetreu rekonstruiert wurde: ein Sonnenofen. Im obersten Stockwerk und im Erdgeschoss befanden sich ausfahrbare Sonnenspiegel, mit denen im Zusammenspiel sehr hohe Temperaturen erzeugt werden konnten. Über die Jahre von unterschiedlichen Instituten der Physik genutzt, findet man heute unter anderem die Gravitationstheorie im Abbeanum.

Von hier aus folgen wir der oben angegebenen Route und begeben uns zur Schaefferstraße 9, dem Haus Auerbach. Felix Auerbach wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Erster auf das von Ernst Abbe angestoßene Extraordinariat für theoretische Physik berufen. In seiner Publikationsliste finden sich zahlreiche Beispiele, bei denen er Physik mit Kunst oder Musik vereinte. Seine populäre Darstellung der Relativitätstheorie beeinflusste u.a. den Maler Wassily Kandinsky.

Zusammen mit seiner Frau Anna (geb. Silbergleit), die sich besonders für Frauenrechte engagierte, gehörte Felix Auerbach zu einem Kreis von Jenaer Intellektuellen, zu dem auch Rudolf Straubel und seine Familie zählten. Sie unterstützten den Kunstverein und, wie zu sehen, das Bauhaus. Bereits 1924 ließ sich das Ehepaar die Villa von Walter Gropius und Adolf Meyer entwerfen. Besonders eindrucksvoll ist die in Pastelfarben gehaltene Farbgestaltung der Innenräume. Die Unterstützung der Künste durch die Auerbachs zeigt sich auch in dem Portrait "Felix Auerbach" von Edvard Munch (1906), das sich mittlerweile im Besitz des Van-Gogh-Museums in Amsterdam befindet. Den Auerbachs blieb allerdings kein langes Glück in ihrem Haus beschert. Felix erlitt zwei Schlaganfälle. Im Februaer 1933 entzog sich das Ehepaar dem Zugriff der Nationalsozialisten durch Selbstmord. Die heutigen Eigentümer ließen das Haus in den 1990ern denkmalgerecht sanieren.